Methoden zur Vermeidung von Auseinandersetzungen bei der Unternehmensnachfolge

Einleitung

Gerichtliche Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit Unternehmensnachfolgen nehmen zu. Dies betrifft im besonderen Maße erbrechtliche, gesellschaftsrechtliche und steuerrechtliche Streitigkeiten. Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit einer Unternehmensnachfolge kosten die Beteiligten aufgrund ihrer Komplexität und ihrer erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung viel Zeit, Geld und Energie. Sie bergen auf der persönlichen Ebene der Beteiligten, insbesondere wenn die Unternehmensnachfolge familienintern geregelt wurde, zudem ein erheblich gesteigertes Belastungs- und Konfliktpotential. Auch das Unternehmen selbst wird von den Auseinandersetzungen meistens in Mitleidenschaft gezogen. Bestenfalls lähmen die Auseinandersetzungen die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens nur. Im schlimmsten Fall bringen sie jedoch auch das Unternehmen selbst, bis hin zur Betriebsaufgabe, in Gefahr. Der Vermeidung von Auseinandersetzungen im Rahmen von Unternehmensnachfolgen kommt deshalb eine erhebliche Bedeutung bei der Planung und Gestaltung von diesen zu.

Ausgangspunkt der Unternehmensnachfolge

Aus Sicht des Unternehmensinhabers ist die Unternehmensnachfolge ein entscheidender Baustein seiner Lebensplanung, insbesondere seiner familiären Vermögensplanung. Denn nicht selten stellt das zu übertragende Unternehmen das Lebenswerk des Unternehmensinhabers dar, welches es „loszulassen“ gilt. Das zu übertragende Unternehmen ist darüber hinaus ein erheblicher, wenn nicht sogar der wesentliche, Vermögenswert des Unternehmensinhabers, den es familienintern zu erhalten oder durch die Veräußerung an einen Dritten freizusetzen gilt. Gleichzeitig soll eine steuerlich günstige und im Fall der Einbindung der Nachfolgegeneration eine gerechte Lösung gefunden werden.  Emotionale und rationale Aspekte treffen aufeinander, worauf im besonderen Maße zu achten ist. Meist handelt es sich bei der beabsichtigten Unternehmensnachfolge zudem um einen einmaligen Vorgang ohne persönliche Erfahrungswerte des Unternehmensinhabers. Für den Unternehmensinhaber ist es entscheidend, dass der Nachfolger über die Eignung verfügt, das Unternehmen erfolgreich fortzuführen. Gleichzeitig muss er sich mit der Frage auseinandersetzen, ob Zusagen des Nachfolgers tatsächlich eingehalten werden und wie er im Fall ihrer Nichteinhaltung damit umgehen möchte. Bleibt der Unternehmensinhaber ganz oder teilweise rechtlich oder wirtschaftlich am Unternehmen beteiligt, trägt er zudem das Risiko, dass sein Nachfolger riskante Entscheidungen auch zu seinen Lasten bzw. gegen seine Interessen trifft. Für den Nachfolger hingegen ist die Übernahme des Unternehmens eine ihn langfristig bindende zukünftige Chance mit allen damit verbundenen Kosten und Risiken. Für den Nachfolger stellt sich deshalb die Frage, ob das zu übernehmende Unternehmen über den von dem Unternehmensinhaber beigemessenen Wert bzw. Potential tatsächlich verfügt. Aufgrund der hohen wirtschaftlichen Bedeutung einer Unternehmensnachfolge sind die mit einer Unternehmensnachfolge verbundenen Erwartungen und Ziele der Beteiligten somit sehr groß. Konsequenterweise ist auf der anderen Seite auch das persönliche und wirtschaftliche Konflikt- und Eskalationspotential, wenn die Durchführung der vereinbarten Unternehmensnachfolge nicht den damit verbundenen Erwartungen und Zielen der Beteiligten entspricht, ebenso groß. Eine gute Gestaltung einer Unternehmensnachfolge muss daher die jeweiligen Interessen, Ziele, Chancen und Risiken der Beteiligten identifizieren und in einen angemessenen Ausgleich bringen.

Typischer Ablauf einer Unternehmensnachfolge

Die „geplante Unternehmensnachfolge“ besteht typischerweise aus drei Phasen, nämlich der Vorbereitung, der Verhandlung und der Umsetzung der Unternehmensnachfolge. In der ersten Phase der Vorbereitung fällt die grundsätzliche Entscheidung hinsichtlich einer möglichen Übergabe des Unternehmens. Damit einhergehend werden eine Unternehmensbewertung und eine Vermögensbestandsaufnahme durchgeführt. Ziele, Risiken und Erwartungen des Unternehmensinhabers im Hinblick auf die geplante Unternehmensnachfolge und den möglichen Nachfolger werden bestimmt und priorisiert. Bereits zu diesem Zeitpunkt sollten steuerliche und rechtliche Handlungs- und Gestaltungsalternativen zur Zielerreichung dem Grunde nach identifiziert und in den weiteren Planungs- und Entscheidungsprozess einbezogen werden. In der Verhandlungsphase mit dem potentiellen Nachfolger werden die bevorzugte Gestaltung der Unternehmensnachfolge sowie die dazugehörigen vertraglichen Regelungen, unter Berücksichtigung ihrer wirtschaftlichen, rechtlichen und steuerlichen Konsequenzen für die Beteiligten, verhandelt und entschieden. Parallel hierzu werden Finanzierungsmöglichkeiten zur Zahlung des Kaufpreises geprüft. Am Ende der Verhandlungsphase steht der Abschluss des Nachfolgevertrages. In die Umsetzungsphase fallen die Einführung des Nachfolgers im Unternehmen und bei den Vertragspartnern sowie die Zahlung des Kaufpreises.

Die „ungeplante Unternehmensnachfolge“, z.B. durch eine schwere Erkrankung oder Tod des Unternehmensinhabers, erhöht das Risiko für das Unternehmen sowie für Auseinandersetzungen erheblich. Rechtliche, steuerliche und wirtschaftliche Gestaltungsspielräume sind eingeschränkt. Viele Parameter sind bereits fixiert und lassen sich nicht mehr rückwirkend ändern. Dies gilt insbesondere für steuerliche Weichenstellungen. Schlimmstenfalls ist das Unternehmen führungslos, ohne dass es eine Möglichkeit gibt, über die Gesellschafterstellung schnell gegensteuern zu können. Die emotionale Belastung der Beteiligten und der Druck auf diese ist in einer solchen Notfall-Situation besonders hoch. Schließlich birgt die ungeplante Unternehmensnachfolge aufgrund des mit ihr verbundenen Zeitdrucks ein höheres Fehlerrisiko bei der Gestaltung und Umsetzung der Unternehmensnachfolge.

Methoden zur Konfliktvermeidung

  1. Die Planung und Durchführung einer Unternehmensnachfolge ist ein komplexer und langwieriger Prozess, der zumeist parallel zu dem Tagesgeschäft des Unternehmensinhabers in Angriff genommen wird. Der Unternehmensinhaber sollte sich daher rechtzeitig mit diesem Thema auseinandersetzen und eine ausreichende Vorlaufzeit für die Planung und Umsetzung einplanen. Hierzu gehört es auch, einen Notfallplan, insbesondere durch die Erteilung entsprechender Handlungsvollmachten, für den Fall eines Unfalls o.ä. zu haben, um zumindest eine ggf. drohende Führungslosigkeit des Unternehmens zu verhindern.

 

  1. Es ist wichtig, bereits am Anfang eine vollständige Ist-Analyse der betrieblichen Situation des Unternehmens sowie der wirtschaftlichen und rechtlichen Lage des Unternehmensinhabers vorzunehmen. Zudem sind die Ziele, Erwartungen und ihre Wertigkeit, welcher der Unternehmensinhaber mit der beabsichtigten Unternehmensnachfolge im konkreten Fall verbindet, zu bestimmen. Beide Maßnahmen stehen in Wechselwirkung zueinander. Sie sind Bestandteil eines bis zum Vertragsabschluss fortschreitenden Prozesses, der sich im Zuge der weiteren Planung und Entscheidung über die Art und Weise der Unternehmensnachfolge immer wieder verändert, überdacht und angepasst werden muss. Spätestens wenn der potentielle Unternehmensnachfolger am Verhandlungstisch sitzt, werden die Parameter an seine Vorstellungen angepasst werden müssen. Hierauf sollte man vorbereitet sein. Eine Unternehmensnachfolge ist aufgrund der individuellen Natur des Unternehmens und der beteiligten Personen ein individueller Vorgang, weshalb eine schematische Lösung ausgeschlossen ist. Die bestmögliche steuerliche Gestaltungsmöglichkeit kann im Rahmen einer familieninternen Unternehmensnachfolge zum Beispiel dazu führen, dass es später zu Streitigkeiten innerhalb der Nachfolgergeneration wegen vermeintlicher oder tatsächlicher Ungleichbehandlung kommt oder weil die Liquiditätsinteressen des Unternehmensinhabers nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Nur auf Basis vollständiger Informationen können somit die erforderlichen vorbereitenden Maßnahmen ergriffen, Ziel- und Interessenkonflikte gelöst, Risiken ausgeschlossen oder reduziert sowie rechtliche und steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten ausgeschöpft und Auseinandersetzungen vermieden werden.

 

  1. Die erforderliche Transparenz und Vollständigkeit im Entscheidungsprozess ist auch der Grund, weshalb von Anfang an, wenn auch mit unterschiedlicher Gewichtung, Berater, wie z.B. Steuerberater, Rechtsanwälte, Unternehmens- und Vermögensberater, in den Planungs- und Entscheidungsprozess einbezogen werden sollten, um Informationsasymmetrien und -defizite und somit Fehler zu vermeiden.

 

  1. Die Familie des Unternehmensinhabers sollte ebenfalls frühzeitig in seine Überlegungen zur Unternehmensnachfolge eingebunden werden. Dies betrifft nicht nur den potentiellen, aus der Familie stammenden Nachfolger, sondern alle Familienangehörige. Denn die Entscheidung zur Unternehmensnachfolge betrifft letztlich jedes Familienmitglied, wenn auch auf unterschiedliche Weise. Es sollte daher Einvernehmen darüber herrschen, wer aus der Familie letztlich, in welcher Form betroffen ist und ob bzw. in welcher Form eine Einbindung in die Unternehmensnachfolge erfolgen sollte. Entscheidungen, welche von allen mitgetragen werden, lassen sich im Nachhinein nur schwer in Frage stellen.

 

  1. Diskussionen und Verhandlungen im Rahmen von Unternehmensnachfolge sind davon geprägt, dass sie sowohl wirtschaftliche, steuerliche, rechtliche, aber auch persönliche Fragen beinhalten. In der Praxis hat sich gezeigt, dass diese Ebenen vielfach von den Beteiligten stark miteinander verknüpft bzw. miteinander vermischt werden, was Lösungen erschwert. Unabhängig von der Frage, welcher dieser Ebenen der Unternehmensinhaber Priorität einräumt, sollte deshalb darauf geachtet werden, dass Probleme und Fragen auf der Ebene diskutiert werden, wo sie ihren Schwerpunkt haben. Auch sollte man sich vergegenwärtigen, dass eine Lösung, die man selbst als ausgeglichen und gerecht beurteilt, wenn es z.B. um Ausgleichsleistungen an weichende familieninterne Nachfolger geht, von diesen eben nicht als gerecht betrachtet werden. Nicht verhehlt werden soll allerdings, dass eine zu starke Fokussierung auf eine Gleichbehandlung Gestaltungsmöglichkeiten, insbesondere was die Ausnutzung von steuerlichen Vorteilen betrifft, beschränken kann. Auch aus diesem Grund ist die bereits genannte frühzeitige Einbindung von Familienmitgliedern, um eine nachhaltige Einigung herbeizuführen, wichtig.

 

  1. Die Unternehmensnachfolge wirkt sich auch erheblich auf die weiteren Stakeholder des Unternehmens, wie z.B. Mitarbeiter, Lieferanten, Kunden oder auch finanzierende Banken, aus. Grundsätzlich führt die Unternehmensnachfolge zu erheblichen Veränderungen im Unternehmen sowie zu Produkt- und Prozessinnovationen, da der Nachfolger seine Vorstellungen der zukünftigen Unternehmensentwicklung umsetzen möchte. Hier sollten Mitarbeiter daher rechtzeig eingebunden werden, um den wirtschaftlichen Erfolg der geplanten Unternehmensnachfolge nicht zu gefährden. Vielfach zeigt sich zudem, dass es im Vorfeld einer Unternehmensnachfolge zu einer Reduzierung der Investitionsbereitschaft des Unternehmensinhabers gekommen ist. Die Hausbanken sind daher als Kreditgeber erster Ansprechpartner, um die von dem Nachfolger geplanten Investitionen zu finanzieren. Auch hier ist deshalb eine frühe Einbindung der Banken zu empfehlen.

 

  1. Sofern die weitere Einbindung des Unternehmensinhabers in die Unternehmensführung, sei es als Geschäftsführer, Berater oder als Gesellschafter, gewünscht sein sollte, sollte Klarheit bestehen, mit welchen Aufgaben, welcher Verantwortung, welcher Vergütung und über welchen Zeitraum diese Beteiligung erfolgen soll. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Verbleib des Unternehmensinhabers im Unternehmen sich nicht nur vorteilhaft für eine Unternehmensnachfolge auswirken kann, da er das Hereinwachsen seines Nachfolgers in seine neue Rolle behindern und seine Akzeptanz bei Mitarbeitern und Dritten erschweren kann.

 

  1. Vertragliche Bestimmungen sollten klar, eindeutig und vollständig die Unternehmensnachfolge regeln, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden. Aus diesem Grund sollte auch eine klare Abbildung dessen erfolgen, was zu geschehen hat, wenn sich bestimmte Zusagen oder Erwartungen der Parteien nicht erfüllen. Dies gilt im Rahmen einer familienexternen Unternehmensnachfolge insbesondere dann, wenn nicht sofort eine vollständige Übernahme sämtlicher Unternehmensanteile erfolgt, der Kaufpreis variabel gestaltet oder eine Ratenzahlung vereinbart ist.

Fazit

Die Unternehmensnachfolge ist ein schwieriger und komplexer Prozess, bei dem eine Vielzahl von unterschiedlichen persönlichen und wirtschaftlichen Interessen zu regeln ist. Die Unternehmensnachfolge ist zudem mit einem erheblichen Prognoserisiko belastet und für die Beteiligten von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung. Aus diesem Grund ist es für den Erfolg der Unternehmensnachfolge entscheidend, auf Basis vollständiger Informationen und hinreichend bestimmter Ziele eine klare und widerspruchsfreie Gestaltung der Unternehmensnachfolge zu finden. Anderenfalls drohen lange und kostenintensive Auseinandersetzungen, die es unbedingt zu vermeiden gilt.   

Über den Autor

Uwe Müllner
Rechtsanwalt LL.M.

Uwe Müllner ist spezialisiert auf die Begleitung komplexer (schieds-) gerichtlicher Auseinandersetzungen auf dem Gebiet des Wirtschafts- und Unternehmensrechts.
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Publikationsdetails

Ebook Geschaeftsfuehrung 2022

Publikation: E-Book „GmbH-Geschäftsführung 2022″

Veröffentlichungsdatum: 23. Juni 2022

Verlag: EUROFORUM Deutschland GmbH

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Methoden zur Vermeidung von Auseinandersetzungen bei der Unternehmensnachfolge

RA Müllner, S. 30-32

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